Geburt 2013

Im Juni 2013 war ich das erste Mal schwanger. Geplant und einige Monate sehnlichst erwünscht. Ich war dann bald beim Frauenarzt und bin in die bekannte Komplettversorgung gerutscht mit Ultraschall an jedem Termin. Bei den Untersuchungen hab ich allerdings nur machen lassen, was mir und meinem Mann sinnvoll erschien. Nackenfaltenmessung zum Beispiel wollten wir nicht, da Abweichungen uns nur verunsichert hätten, wir aber trotzdem in jedem Fall dieses Kind bekommen hätten. Besonders problematisch war für mich meine Angst vor Spritzen. Jetzt plötzlich so viel und häufig Blut abgenommen zu bekommen, war für mich der absolute Horror und ging nur mit viel Händchen halten durch meinen Partner. Unsensible Arzthelferinnen waren da nicht wirklich hilfreich, weshalb ich schon in meiner 1. Schwangerschaft bald den Frauenarzt wechselte.

Ende August war ich in der 16. Schwangerschaftswoche zur Routineuntersuchung. Alles war super und ich bekam ein schönes US-Bild meines Kindes. Noch am gleichen Tag sind wir in den Urlaub gefahren. Mein Partner war noch kurz einkaufen und ich wartete im Auto und schaute dabei verliebt die ganze Zeit das US-Bild an und konnte mein Glück kaum fassen.

Im Urlaub wurde ich dann bald richtig krank. Ein Frauenarzt vor Ort wollte mich trotz hohem Fieber über 38 Grad Celsius nicht behandeln, sondern verwies mich an meinen Gynäkologen zu Hause, der über 500 km und eine ganztägige Zugreise entfernt war. Diese trat ich dann wie geplant am nächsten Tag an, diesmal alleine. Die Fahrt war sehr anstrengend, da es mir wirklich nicht gut ging und ich mir große Sorgen um mein Baby machte. Ich redete mit ihm und sprach uns Mut zu, dass wir das schaffen würden. Ich wurde dann auch zügig wieder gesund.

Etwa drei Wochen später fühlte ich mich sehr schlapp und kraftlos. Und bald bekam ich Blutungen. Da es relativ viel frisches Blut war, fuhr ich panisch vor Angst zu meinem Gynäkologen. Dort musste ich gefühlt eine Ewigkeit warten, der Arzt schallte, trug in den Mutterpass ein, dass das Kind lebe und sich bewege und überwies mich dann ans Krankenhaus. Dieses durfte ich mir selber aussuchen, weshalb ich in eine Klinik fuhr, die ich auch für die Geburt im Auge hatte. Dort untersuchte mich die diensthabende Ärztin und schallte erneut. Die Ärztin frug direkt ob das Kind immer eher zierlich gewesen sei? Was ich verneinte. Dann schaute ich mit auf den Bildschirm und suchte , genauso wie die Ärztin den Herzschlag des Babies. Die Äzrtin legte ihre Hand auf meinen Arm und teilte mir dann mit, was ich selber sah, dass da kein Herzschlag war und mein Baby gestorben war. Es riss mir den Boden unter den Füßen weg und ich hatte das Gefühl in ein tiefes Loch zu fallen. Ich war in einer Schockstarre, unfähig etwas zu fühlen. Die Ärztin riet mir familiäre Unterstützung zu holen und ich rief meinen Partner an. Ich erreichte ihn während einer Besprechung, die er daraufhin sofort verließ um zu mir zu kommen. Allerdings arbeitete er zwei Zugstunden entfernt, weshalb ich entsprechend lange auf ihn warten musste.

Im Krankenhaus wurde ich unterdessen fest aufgenommen. Ich bekam ein Einzelzimmer auf der gynäkologischen Station, da die Ärztin verhindern wollte, dass ich den Wöchnerinnen mit ihren Babies begegne. Dafür bin ich ihr bis heute sehr dankbar. Auf meinem Zimmer konnte ich endlich wieder ein paar klare Gedanken fassen und weinte bitterlich über die Todesnachricht. Etwas Ablenkung gaben mir die Broschüren, die mir die Klinik überreicht hatte. Mein Partner kam gegen Abend in der Klinik an und durfte die ganze Zeit bei mir bleiben. Das tat uns in unserem Schmerz sehr gut. Er bekam auch ein eigenes Klappbett ins Zimmer gestellt. Die Geburt wurde am nächsten Tag mit dem Magenmittel Cytotec eingeleitet. Die Wehen waren sehr heftig und ich weder mental noch körperlich auf eine Geburt eingestellt. Ich lag in meinem Bett und jede Wehe überrannte meinen Körper mit voller Wucht. Die Geburt ging entsprechend langsam voran. Immerhin konnten mir die Hebammen, die mir so viel sie konnten zur Seite standen, jedes Schmerzmittel geben, dass sie hatten, da ein möglicher Schaden fürs Kind ausgeschlossen war. Gegen Nachmittag bekam ich eine PDA und wurde dafür in ein Nebenzimmer der Geburtsstation verlegt, damit ich keine schlechten Erinnerungen an die Kreißsäle habe. Ich konnte dann nochmal etwas schlafen und bald spürte ich, dass mein Baby aus mir raus wollte. Wir riefen mit der Klingel die Hebammen, die mein Gefühl bestätigten. Ich realisierte, dass es die letzten Momente meiner Schwangerschaft sind und der Tod meines Kindes wurde für mich nun fassbare und bittere Realtität, weshalb ich wieder zu weinen begann. Die Hebammen waren wohl etwas überfordert und meinten nur „Alles gut, es ist gleich vorbei.“ Was bei der Geburt eines lebendes Kindes, sicher aufbauend sein kann, bei einer stillen Geburt, zumindest in meinem Fall leider nicht. Aber auch wenn die Worte vielleicht unpassend waren, bin ich den Hebammen nicht böse dafür, sie waren schlichtweg auch überfordert und meinten es nur gut.

Unser Baby, ein Mädchen legten die Hebammen auf einen Waschlappen und in eine sogenannte Nierenschale. So konnten wir unser Kindchen in Ruhe kennen lernen und viele Fotos machen. Ich musste dann nach etwa einer Stunde in den OP zum Nachfassen, damit nichts von der Schwangerschaft in meiner Gebärmutter verbleibt. Danach waren wir zu dritt auf meinem Zimmer. Dort hatte die Hebamme eine Kerze neben dem Bettchen unseres Kindes aufgestellt. Wir durften unsere Tochter die ganze Nacht und den ganzen Vormittag bei uns behalten. Dann kam die Hebamme und hüllte unsere Tochter und ihr Bettchen in ein Tuch und nahm sie mit. Natürlich nur mit unserem Einverständnis.

Wir haben unsere Tochter wie geplant Theresa genannt und sie Anfang Oktober im Familiengrab meiner Schwiegermutter neben der Oma meines Mannes beigesetzt. Dort steht seitdem ein Engel auf dem Grab, der an unser Sternenkind erinnert.

Geburt 2014, Geburt 2017 und Geburt 2020